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Im Jahre des Herrn 1265, als der Frühling spät über die Auen der Niers zog und die Nebel schwer über den Wiesen der Reichsherrschaft Dyck lagen, wurde auf dem alten Stammsitz des Ritterhauses Dyck ein Knabe geboren: Nikolaus, Sohn des Edelherrn Johann II. zu Dyck und seiner Gemahlin Guda von Vlatten. Als erstgeborener Sohn eines altehrwürdigen Hauses, das in der Gefolgschaft des Kölner Erzstifts stand, wurde er früh zum Träger der Erwartungen eines Geschlechts, dessen Wurzeln tief in die salische Zeit zurückreichten.

Nikolaus wuchs nicht, wie so viele andere Söhne des Adels, zwischen Schwertübungen und Turnierplätzen auf, sondern lernte an der Seite seiner Mutter und der Ratsherren des Hofes die Kunst des Wortes, der Verwaltung und der Diplomatie. Während andere Knappen auf Reisen mit ihren Lehnsherren die Wege des Rittertums beschritten, lernte er die Geheimnisse der Hofhaltung, die Führung des Gesindes, das Prüfen von Pachtlisten und das Verhandeln mit widerspenstigen Nachbarn. Er sprach ruhig, überlegt, und mit jener Würde, die nicht aus Waffen, sondern aus innerer Disziplin erwächst. Und doch, so fest er im Geiste war, so leer blieb sein Gürtel – denn der Ritterschlag, den er sich seit Jahren ersehnte, blieb ihm verwehrt.

Der Grund war einfach und tragisch: Sein Vater, der einst selbst ein tapferer Gefolgsmann des Erzbischofs gewesen war, war von schwerem Fieber gezeichnet. Die Kraft wich aus seinen Gliedern, und der klare Blick wurde matt. So fiel es auf Nikolaus, mit nur 23 Wintern auf dem Rücken, die Geschicke des Hauses zu lenken. Gemeinsam mit seiner Mutter hielt er das Haus Dyck aufrecht, während draußen die Welt in Unruhe geriet. In ihm vereinten sich Fürsorge und Pflichtbewusstsein, doch in seinem Innersten loderte das ungestillte Verlangen, sich in Waffen zu bewähre

Als im Jahre 1288 der Erzbischof von Köln, Siegfried von Westerburg, seine Banner sammelte und zum Krieg gegen die aufbegehrenden Fürsten des Rheinlands aufrief, kam der Ruf auch nach Dyck. Und weil der Vater das Krankenlager nicht mehr verlassen konnte, war es Nikolaus, der – obwohl ungerüstet, ungeweiht und ohne Sporen – den Namen seines Hauses in die Schlacht tragen sollte. So ritt er, von wenigen Dienern begleitet, gen Westen, dem Sammelpunkt der Truppen entgegen.

In Gangelt, einer befestigten Siedlung an der Grenze zu Jülich, sammelte sich das Heer des Erzbischofs. Banner flatterten, Zelte wurden aufgeschlagen, Priester predigten und Händler rieben sich die Hände. Inmitten dieses Lagers wurde Nikolaus durch die Fürsprache eines alten Vertrauten seines Vaters einem besonderen Bund zugeführt: dem Orden der Schildwächter zu Gangelt – ein Zusammenschluss von Rittern, Freifrauen und Kriegern verschiedener Herkunft, die nicht durch Geburt, sondern durch Treue vereint waren. Die Schildwächter dienten dem Erzbischof, doch lebten sie nach eigenen Regeln, jenseits der Zwänge zu starrer Hierarchien.

Nikolaus, der ohne Ritterschlag gekommen war, wurde dort nicht verspottet, sondern aufgenommen. Zunächst als einfacher Lagerdiener: Er begann bei den Pferden, half beim Ausmisten, beim Füttern, beim Satteln und Pflegen. Die Mistgabel wurde ihm zum Symbol eines neuen Anfangs – ein Werkzeug der Demut, nicht der Schwäche. Er lernte, was es hieß, in einem Heer zu leben: wie man ein Lager hält, wie man bei Sturm das Feuer bewacht, wie man bei Sonnenaufgang marschiert. Und bei Nacht, am Feuer, lehrten ihn Hauptmann und Heeresführerin das Trinken, das Singen, das Lachen – das ungeschriebene Gesetz der Kameradschaft.

Unter der Führung des Hauptmanns, eines alten SchildWächters mit mehr Narben als Geschichten, und der klugen Hand der Heeresführerin, einer Freifrau von kühlem Verstand, wurde Nikolaus in die Bräuche des Ordens eingeführt. Noch war er kein Ritter. Doch er verstand, dass Stärke nicht nur aus dem Schwung des Schwertes kam, sondern aus dem Vertrauen des Nebenmannes, aus der Ordnung des Lagers, aus der Treue zum Wort.

Mit jedem Tag wuchs er – nicht an Größe, sondern an Stand. Und bald schon stand die Aussicht, einem Ritter der Schildwächter als Knappe zu dienen, greifbar nah. Noch vor der Schlacht von Worringen würde vielleicht sein Weg beginnen – der wahre, der ritterliche.

Und während sich das Heer auf die große Auseinandersetzung vorbereitete, als Marschbefehle gebrüllt wurden, als das Gras unter den Stiefeln zertrat und die Trommeln des Krieges lauter schlugen, war Nikolaus bereit. Nicht mit Heldenmut, sondern mit Klarheit. Nicht mit Blutgier, sondern mit Pflichtgefühl. Er wusste, dass er den Namen seines Hauses nicht mit glänzender Rüstung ehren musste – sondern mit Haltung, mit Treue, mit dem Mut, seinen Platz einzunehmen, auch wenn er noch keine Sporen trug.

So wurde aus dem Hausherrn ohne Helm ein Anwärter auf Ehre,

aus dem Stallknecht ein Schildwächter in spe,

Aus Nikolaus zu Dyck –

ein Mann zwischen Hof und Heer,

zwischen Pergament und Pferd,

zwischen Mistgabel und Schwert,

Ein Schildwächter mit großer Ehr.